Kaffee gibt es überall auf der Welt, aber er wird ganz unterschiedlich genossen. In manchen Ländern trinkt man ihn im Stehen an der Bar, in anderen genießt man ihn langsam in der Sonne oder ganz rituell im Kreis der Familie. Wie wir Kaffee zubereiten und trinken, sagt oft viel über ein Land aus.
Wer sich für Kaffee interessiert, sollte also nicht nur auf Röstung und Herkunft schauen – denn auch in anderen Kulturen gibt es viel zu entdecken.
Die Ursprünge des Kaffees lassen sich bis nach Äthiopien zurückverfolgen. Dort, im Hochland von Kaffa, wurde die Kaffeekirsche vermutlich schon vor über 1.000 Jahren gesammelt und gekaut. Über den Jemen gelangte sie im 15. Jahrhundert nach Arabien, wo sie zum ersten Mal systematisch kultiviert und als Aufguss getrunken wurde. Von dort aus trat der Kaffee seinen Siegeszug durch die Welt an.
Im Osmanischen Reich wurde Kaffee gesellschaftlich verankert. Kaffeehäuser entstanden, wurden Treffpunkte für Diskussionen und Musik. Venedig war im 17. Jahrhundert die erste europäische Stadt mit einem öffentlichen Kaffeehaus. Kurze Zeit später verbreitete sich Kaffee auch in England, Frankreich, Deutschland und Österreich und jedes Land entwickelte schnell seine eigene Variante.
Es gibt aber auch eine dunkle Seite der Geschichte, denn auch durch Kolonialismus, Sklavenarbeit und später Industrialisierung inklusive Ausbeutung wurde Kaffee zum globalen Gut.
In Italien ist Kaffee extrem wichtig. Man könnte auch sagen: Espresso ist hier kein Getränk, sondern eine Haltung. Er wird an der Bar im Stehen getrunken, oft in weniger als einer Minute. Milch kommt nur vormittags in den Kaffee – ein Cappuccino nach dem Essen gilt als absolutes No-Go. Auf die perfekte Zubereitung wird Wert gelegt.
Französischer Kaffee ist oft überraschend stark und bitter. Der klassische „Café au lait“ wird zum Frühstück getrunken und in dicken Porzellantassen serviert. In den Cafés an den Boulevards genießt man den Café nachmittags in einem belebten Umfeld. Wer Kaffee bestellt, bekommt oft automatisch Wasser und Zeitung dazu – und bleibt oft eine Stunde sitzen, ohne dass jemand drängelt. Cafés gelten nicht nur als gastronomische Einrichtungen, sondern als soziale Treffpunkte – vor allem in den Städten
In Schweden ist die sogenannte „Fika“ ein fest etablierter Bestandteil des Alltags. Gemeint ist damit eine Pause mit Kaffee und etwas Süßem, meist Zimtschnecken oder Keksen, die bewusst zelebriert wird, z. B. im Büro, zuhause oder im Café. Der Kaffee selbst ist oft klassischer Filterkaffee und wird in großen Mengen konsumiert. Schweden zählt mit über 8 Kilogramm pro Kopf und Jahr zu den Ländern mit dem höchsten Kaffeekonsum weltweit. Der Fokus liegt nicht auf raffinierten Brühmethoden, sondern auf Gemeinschaft und Verlässlichkeit in Bezug auf den Geschmack.
Deutschland ist eines der wichtigsten Kaffeeländer Europas, sowohl beim Konsum als auch bei der Weiterverarbeitung. Mit einem durchschnittlichen Pro-Kopf-Verbrauch von rund 169 Litern jährlich ist Kaffee das beliebteste Getränk im Land. Die Zubereitungsmethoden sind vielfältig: Neben dem klassischen Filterkaffee gewinnen French Press und Siebträgermaschinen an Bedeutung. Außerdem sind auch Kombinationen mit Milch, Sirup und Eis beliebt. Gleichzeitig steigt die Zahl kleiner, spezialisierter Röstereien.
Lateinamerika ist nicht nur einer der größten Kaffeeproduzenten der Welt, sondern entwickelt auch zunehmend eine eigene Kaffeekulturen. In Kolumbien zum Beispiel trinken viele ihren „Tinto“ – einen kleinen, süßen schwarzen Kaffee – auf der Straße oder im Bus. Lange Zeit war hochwertiger Kaffee dem Export vorbehalten. Heute entstehen in Städten wie Medellín oder Bogotá zahlreiche Third-Wave-Cafés, die lokale Bohnen selbst rösten und neue Röstprofile ausprobieren.
In Brasilien, dem größten Kaffeeproduzenten der Welt, gehört Kaffee zum Alltag wie das Zähneputzen. Er wird überall angeboten, oft stark, süß und sehr heiß serviert. In Mexiko und Peru ist es ähnlich. Während der traditionelle Konsum oft über Instantkaffee läuft, gibt es zunehmend lokale Röstinitiativen und Kooperativen, die auf Nachhaltigkeit, Qualität und Transparenz setzen. Der Kaffee bleibt also nicht mehr nur Exportgut, sondern wird Teil einer wachsenden eigenen Kaffeebewegung.
In den USA war Kaffee lange Zeit bloß ein Koffeinspender. Die berühmte „bottomless cups“ im Diner, in die der Kaffee dünn, heiß und billig stetig nachgeschenkt wurde, war jahrzehntelang das Maß der Dinge. Erst langsam änderte sich das Bild. Heute sind die USA ein Zentrum der Specialty-Szene mit zahllosen Mikro-Röstern, Barista-Wettbewerben und Kaffeebars auf Weltklasseniveau.
Australien hingegen hat nie einen wirklichen Starbucks-Hype erlebt – aus gutem Grund. Die unabhängige Café-Kultur ist dort extrem stark. Der Flat White wurde hier erfunden und Kaffee ein Teil des urbanen Selbstverständnisses.
Afrika ist nicht nur Wiege des Kaffees, sondern auch Heimat einiger der weltweit besten Arabicas.
In Äthiopien gehört die Kaffeezeremonie zu den wichtigsten sozialen Ritualen. Die grünen Bohnen werden vor den Augen der Gäste geröstet, gemahlen und dreimal aufgebrüht. Dazu gibt es oft Popcorn oder Fladenbrot. Die Zeremonie kann eine Stunde oder länger dauern. Kaffee ist hier keine Nebensache, sondern dient der Gemeinschaftsbildung.
In Kenia sieht es anders aus. Der größte Teil des Kaffees ist für den Export bestimmt, der eigene Konsum ist geringer. Trotzdem steigt auch hier das Interesse an lokalen Röstungen, besonders bei der urbanen Jugend. Nairobi etwa entwickelt sich langsam zur Kaffee-Hauptstadt Ostafrikas.
Asien ist riesig – und die Kaffeekulturen sind es auch. In Vietnam gehört Kaffee zum Stadtbild. Am Straßenrand sieht man oft Menschen auf Plastikhockern sitzen, die „Ca Phe Sua Da“ trinken, einen starken Robusta mit gesüßter Kondensmilch und Eis. Daneben gibt es „Egg Coffee“, der mit Eigelb, Zucker und Kondensmilch cremig aufgeschlagen wird.
In Japan wird Kaffee mit besonderem Respekt behandelt. Es gibt eigene Stilformen, von Pour-Over-Tempeln bis zu Kaffeebars, in denen einzelne Bohnen wie Weine beschrieben werden. Die Zubereitung ist oft präzise, leise und hochästhetisch. Gleichzeitig ist aber auch Convenience-Kaffee aus Automaten oder Konbini (Mini-Märkten) extrem verbreitet.
Kaffee ist nach Erdöl das zweitwichtigste Handelsgut der Welt. Über 25 Millionen Menschen arbeiten weltweit im Kaffeesektor. Der globale Umsatz mit Kaffee lag 2023 bei rund 495 Milliarden US-Dollar. Die größten Produzenten sind Brasilien, Vietnam und Kolumbien, die wichtigsten Importländer die USA, Deutschland und Italien.
Gleichzeitig ist Kaffee einer der sensibelsten Agrarrohstoffe. Der Klimawandel bedroht viele Anbaugebiete durch Temperaturanstieg, unregelmäßige Regenfälle und neue Schädlinge. Studien gehen davon aus, dass bis 2050 rund 50 Prozent der heutigen Anbauflächen für Arabica nicht mehr geeignet sein könnten. Deshalb gewinnt der Aspekt der Nachhaltigkeit an Bedeutung. Direkthandel, Agroforstwirtschaft und faire Zertifizierungen helfen, die Lieferkette gerechter und resilienter zu gestalten.